Thema: VORURTEIL

Untertitel „Tabula rasa“:

Wachstafel weiß, Wachstafel schwarz, 23 x 27 cm, ohne Griffel, 2013

 

Die Arbeiten gehen der Frage nach: Gibt es einen Zustand der Vorurteilsfreiheit ?

Möchten auch wir nicht manchmal tabula rasa schaffen, um noch einmal neu zu beginnen und vorurteilsfrei zu sein?

Aber, wie kommen wir dahin und werden vorurteilsfrei?

Indem wir reinen Tisch machen und am besten jeden Tag eine Reinigungspille schlucken oder Sprüche an die Wand schreiben? oder symbolisch weiße Bilder malen?

Robert Rauschenberg erklärte im Jahr 1951 Schwarz zur „Farbe“ des Unbeeinflussten, Freiheitlichen, Originalen. Seine white paintings löschten aus.

 

Hintergrundgedanken zum Werk:

Um Wachstafeln neu beschreiben zu können wurden die alten Notizen zu Römerzeiten durch Glätten ausgelöscht.

Tabula rasa (lat. geglätteter Tisch) bedeutet daher im übertragenen Sinn die Aufhebung des Alten zugunsten des Neuen. Platon und Aristroteles verglichen den Zustand des menschlichen Geistes vor aller Erfahrung mit einer noch unbeschriebenen Tafel - ähnlich dem Begriff der Stoiker für den Zustand des Menschen bei der Geburt.

In der Neuzeit wird tabula rasa zum Synonym für die sinnliche und konkrete Offenheit des Geistes auf die Welt hin.

 

Im Wesentlichen ging es mir bei diesem Thema darum, einen Zustand im Arbeitsprozess zu erreichen, der der Vorurteilsfreiheit nahe kommt.

Ich glättete und schichtete unzählige Male Wachs mit den Nichtfarben Weiß und Schwarz.

 Annette Brasch

 

 

Ineressantes zum Thema:

Zitat aus Politisches Feuilleton / Archiv | Beitrag vom 28.08.2014, "Über die Kunst des Sehens" von Sebastian Hennig

 

Nicht leicht, ohne Vorurteil zu sein

Behämmertes Glotzen ist an die Stelle des schauenden Staunens getreten. Unausgesetzt begleiten Overhead- und Filmprojektionen oder Reklamebilder unseren Weg durch Stadt und Landschaft oder den beruflichen und privaten Alltag. Bilderflut aber bedeutet keine Zunahme von Bildlichkeit, sie ist ein Bildersturm, der wegfegt, was bildend sein müsste. 

Es gibt heute tatsächlich nichts Schwierigeres, als einfach zu schauen – zu  schauen, was zu sehen ist. Ohne Vorurteil sein zu wollen, wird schnell zur ideologischen Behauptung. In Wirklichkeit fordert dieser Anspruch heraus, die eigene Fähigkeit zum Betrachten und Assoziieren zu entwickeln und das Augenscheinliche nicht zu missachten.

 

Zurück zur Einfalt!

Als man die Höhlen von Altamira nahe der spanischen Stadt Santillana del Mar entdeckte, war es nicht der Forscher, sondern seine fünfjährige Tochter, die auf die prähistorischen Wandmalereien aufmerksam wurde. Das kleine Mädchen entdeckte sie im Wortsinne spielend, während der wissenschaftlich arbeitende Vater darüber hinweggesehen hatte. 

Über unserer eigenen Komplexität ist uns die Einfalt abhandengekommen. Ein gelungenes Bild ist schon selbst komplex und braucht nur auf die einfachste Weise angeschaut zu werden. Vor einem Meisterwerk der Malerei stehen wir ohnehin alle als Analphabeten."